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                        ELIS

1

Vollkommen ist die Stille dieses goldenen Tags. 
Unter alten Eichen 
Erscheinst du, Elis, ein Ruhender mit runden Augen.

Ihre Bläue spiegelt den Schlummer der Liebenden. 
An deinem Mund 
Verstummten ihre rosigen Seufzer.

Am Abend zog der Fischer die schweren Netze ein. 
Ein guter Hirt 
Führt seine Herde am Waldsaum hin. 
O! wie gerecht sind, Elis, alle deine Tage.

Leise sinkt 
An kahlen Mauern des Ölbaums blaue Stille, 
Erstirbt eines Greisen dunkler Gesang.

Ein goldener Kahn 
Schaukelt, Elis, dein Herz am einsamen Himmel.

 

2

Ein sanftes Glockenspiel tönt in Elis’ Brust 
Am Abend, 
Da sein Haupt ins schwarze Kissen sinkt.

Ein blaues Wild 
Blutet leise im Dornengestrüpp.

Ein brauner Baum steht abgeschieden da; 
Seine blauen Früchte fielen von ihm.

Zeichen und Sterne 
Versinken leise im Abendweiher.

Hinter dem Hügel ist es Winter geworden.

Blaue Tauben 
Trinken nachts den eisigen Schweiß, 
Der von Elis’ kristallener Stirne rinnt.

Immer tönt 
An schwarzen Mauern Gottes einsamer Wind.

Elis - Eine mythologisierend-chiffröse Knabengestalt, die in einigen Gedichten Trakls angerufen wird. Die Vorlage für den Namen wird von der Traklforschung nicht in der Landschaft auf der griechischen Halbinsel Peloponnes gesehen, sondern im historischen Fall des schwedischen Bergwerksarbeiters Elis Fröbom im 17. Jahrhundert, den E.T.A. Hoffmann (Erzählung "Die Bergwerke zu Falun", 1818) und Hugo von Hofmannsthal (Versdrama-Fragment "Die Bergwerke zu Falun", 1906) literarisch verarbeiteten. Elis Fröbom verunglückte am Tag seiner Hochzeit im Bergwerk, erst Jahrzehnte später wurde seine perfekt konservierte Leiche gefunden, ein Jüngling, während seine Braut eine alte Frau geworden war.

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